„Ich komme mit“, sagt Bert entschlossen, schlüpft schnell in Socken und Schuhe.

„Warum? Sie kennen mich doch gar nicht.“

Er zieht sich eine Jacke über. „Ich bin bereit.“

„Ich bin nicht stark genug es zu verhindern“, sagt sie und geht voran ins dunkle Treppenhaus.

Bert schließt leise seine Tür, folgt ihr hinauf, staunt, wie routiniert sie die Dachluke öffnet und aufs Dach tritt.

„Noch können Sie umkehren“, sagt sie von oben herab.

„Ich sagte doch, ich komme mit.“

Ein frischer Wind weht übers Dach. Welch ein Anblick. Viel Licht, da doch die Stadt schläft. Noch nie war Bert auf sein Dach gestiegen.

Flott geht es voran. Sie kennt sich gut aus. Von einem Dach geht es auf das nächste.

„Schnell“, sagt sie.

Bert sieht sich um, sieht Männer auf dem Dach seines Hauses. Als er sich ihr zuwendet, hat sie bereits eine Dachluke geöffnet. Hinab geht es in ein fremdes Treppenhaus.

Die beiden eilen hinunter, immer zwei Stufen auf einmal. Als sie unten angekommen sind, hören sie wie oben ihre Verfolger vom Dach ins Treppenhaus springen.

Bert will die Tür aufreißen. Verschlossen. Er staunt nicht schlecht, als die Unbekannte einen Schlüssel hervor holt, die Tür damit aufschließt. Er weiß noch immer nicht ihren Namen, fällt ihm in diesem Augenblick ein.

„Wie heißen Sie", fragt er sie. „Sie müssen doch einen Namen haben!"

Schon läuft sie die menschenleere Straße entlang. Er muss sich mühen, mit ihr Schritt zu halten. An der nächsten Kreuzung kommt ein Wagen mit hoher Geschwindigkeit heran. Die Scheinwerfer blenden auf. Im letzten Augenblick springt die Frau über einen Gartenzaun, den der Wagen mit einem lauten Kreischen um fährt, ehe er unsanft an einem Baum zu stehen kommt. Der Fahrer steigt aus, flucht erst, schießt dann mit einer Pistole in Richtung der Frau, die aber tief in den Garten gerannt ist, nun nicht mehr zu sehen.

Äste schlagen Bert ins Gesicht. Er folgt dem roten Mantel, scheint ihm ganz nahe zu sein. Hinter ihm vermehren sich die Verfolger. Ein Hund bellt. Oder ist es ein Wolfsrudel? Weitere Schüsse. Baumrindensplitter spürt Bert auf der Haut. Er dreht sich um, sieht Mündungsfeuer aufblitzen, rechnet jeden Augenblick mit einer Kugel, da stürzt er, rutscht einen Abhang hinab. Er kommt zu liegen.

Als er aufsteht, bemerkt er, dass er zwischen den Gleisen der Bahn liegt. Vor ihm der rote Mantel auf den Schienen. Von der Frau nichts zu sehen. Zu dunkel. Doch da, eine Bahn kommt heran. Im Scheinwerferlicht des Triebwagens steht sie plötzlich, wirft die Arme hoch, als ob sie von einem Schuss getroffen wäre.

Bert rappelt sich auf, rennt zu ihr, direkt ins Licht eines Zuges aus der anderen Richtung. Er dreht sich um, will zurück, spürt schon das kalte Eisen der Räder an seinen Füßen, fällt direkt auf den roten Mantel, klammert sich an ihn. Sein Blut tränkt den leichten, zarten Stoff, ohne eine Spur zu hinterlassen. Alles wird dunkel um ihn herum.

Als er die Augen öffnet ist er allein. Die Frau ist verschwunden. Er klammert sich an seine Bettdecke, ist völlig darin gefangen. Nur seine Füße liegen frei. Das erste Licht des Tages dringt in sein Zimmer und ihm dämmert ganz langsam, dass alles nur ein Traum gewesen sein kann.

VIERTES KAPITEL