VIERTES KAPITEL
Unter der Dusche will sich Bert die Kapriolen der Nacht und des letzten Tages abwaschen, will nicht nur einen sauberen, sondern einen klaren Kopf bekommen, so klar wie der beginnende Tag, der die Wolken der Nacht vertrieben hat.
Als Bert die Wohnung verlässt, bemerkt er einen feuchten Fleck auf dem Fußboden im Treppenhaus. Er schaut zur Decke, die Dachluke steht offen.
Die Wohnungstür der unbekannten Frau steht offen. Bert zögert erst, tritt dann einen halben Schritt herein. Die Wohnung ist bis auf paar Farbeimer leer. Es sieht nicht so aus, als hätte jemand hier die letzte Nacht verbracht.
Was geschah wirklich in dieser Nacht, während er schlief, träumte oder wachte? Es muss geregnet haben. Aber war das schon alles?
Er tritt auf die Straße, läuft einfach los, ziellos, planlos. Schließlich steht er auf der Brücke, auf der alles begann. Er schaut erst auf die Gleise. Ein roter Zug fährt vorbei, sechsundzwanzig Anhänger zählt Bert, beladen mit Containern, nicht zu sehen, was darin verborgen ist. Er dem Zug hinterher, dabei hebt sich sein Blick und er sieht auf die andere Brücke.
Da stand sie, denkt er.
Bert steht an der gleiche Stelle wie vor 36 Stunden. Er schaut den Zügen nach. Sie haben sich nicht verändert. Dabei bemerkt er nicht, wie ein Mann direkt neben ihm auf die Brüstung der Brücke steigt. Er ist zum greifen nahe.
Eine Stimme weckt Bert. „So tun Sie doch was!“
Bert schaut den Mann von unten heran an. Dann wendet er sich zu der Stimme.
„Ja, Sie!“ ruft eine Frau.
„Gehen Sie fort“, sagt da der Mann leise. „Und du auch“, schreit er zur Frau hinüber.
„Halten Sie ihn fest“, ruft die Frau zu Bert, der sich nicht angesprochen fühlt. „Ich hole Hilfe!“ Sagt sie dann noch.
Bert schaut die ganze Zeit abwechseln zur Frau und zum Mann, gerade wie ein Zuschauer auf dem Tennisplatz den Ball verfolgt oder in der Oper ein Liebesduett auf der dreißig Meter breiten Bühne.
„Kennen Sie die Frau?“ fragt er den Mann.
„Ach lassen Sie mich zufrieden“, sagt der Mann erregt.
„Bitte!“ Bert sieht zur Frau, die telefoniert, wobei ihre freie Hand Zeichnungen in der Luft hinterlässt.
Ganz ruhig geht er fort von den beiden, blickt sich nicht um, nicht einmal, als die Frau ihm was zuruft. Es klingt wie Beschimpfungen. Er kommt an einer alten Frau vorbei, die alles mit angesehen hat.
„Wie können Sie nur!“ sagt sie. „Herzlos“, stellt sie fest.
„Wenn Sie wüssten“, sagt Bert müde, seinem versäumten Nachtschlaf hinterher trauernd.
ENDE