DIE STILLE NACH DEM SCHUSS

Der Tag ist angebrochen. Frisch gewaschen steht Friedrich im Unterhemd vor dem Kleiderschrank, nimmt sich ein weißes Hemd heraus.

„Nimm doch das blaue. Das steht dir besser!“

Er lächelt kurz, nimmt das blaue Hemd aus dem Schrank und zieht es an. Dann bereitet er das Frühstück vor, deckt den kleinen Tisch in der Küche. Als er ein zweites Ei aus dem Topf nimmt, schaut er mit leerem, traurigen Blick auf seine Hand.

Friedrich setzt sich, gießt Kaffee ein, nimmt sich ein Stück Zucker, rührt um, überlegt kurz, will sich ein zweites Stück nehmen.

„Friedrich, denk an deine Gesundheit.“

Sie hat ja recht, denkt Friedrich im Stillen und begnügt sich mit einem Stück Zucker.

Nach dem Frühstück setzt er sich an den Wohnzimmertisch, schiebt die Tischdecke zur Seite, ölt und putzt seine Walther PPK.

„Pass auf, der Tisch, die Flecken gehen nie wieder weg!“

So legt er die Zeitung von gestern auf den Tisch. Ein Tropfen Öl hinterlässt einen dunklen Fleck auf der Schlagzeile des vergangenen Tages.

Als er aus der Wohnung gehen will, mahnt ihn die Stimme seiner Frau, doch den Müll nicht zu vergessen. Er entsorgt den vollen Beutel im Container auf dem Hof.

Die Straßen sind fast leer, nicht viele Menschen unterwegs. Er überquert einen großen Platz. Am Blumenstand bleibt er stehen. Er kann sich nicht gleich entscheiden.

„Lass dir keine alten andrehen!“

Er wählt einen bunten Sommerstrauß. Mit ihm geht er weiter, den langen Weg durch die Grünanlage. Erschöpft setzt er sich auf eine Parkbank. Er schaut einem Eichhörnchen zu, wie es an einem Baum emporklettert, bis es nicht mehr zu sehen ist.

Nun steht er auf, schweren Schrittes geht er weiter, an der Kirche vorbei, den schmalen Weg aufwärts, über die Straße. Er öffnet das eiserne Tor, das rostige Scharnier gibt einen klagenden Laut von sich. Auf dem Friedhof geht er direkt zu dem Grab seiner Frau.

Friedrich legt die Blumen ab.

„Sollen die etwa für mich sein? Du machst ja auch nichts richtig. Wie sehen die überhaupt aus? Was sollen die Nachbarn denken?“

Er holt seine Pistole aus der Jackentasche hervor.

„Wenn ich dich schon mal allein lasse . . .“

Der Schuss schneidet ihre Stimme ab.

Stille!

Die Sonne scheint durch die Baumkronen auf Friedrich. Die Blätter bewegen sich leicht im Wind. Vögel zwitschern in den Ästen, hüpfen von Zweig zu Zweig.

Friedrich lächelt.





zurück